Genetische Veränderungen im Blut – ein neuer Risikofaktor für Herzpatienten
Eine große Studie im European Heart Journal zeigt, dass „klonale Hämatopoese unbestimmten Potenzials“ (CHIP) bei koronarer Herzkrankheit weit verbreitet ist und die Lebenserwartung deutlich verkürzt.
Mit zunehmendem Alter können sich Blutstammzellen im Knochenmark genetisch verändern, sodass sich bestimmte Blutzellen stärker vermehren und im Blut anreichern. Fachleute sprechen in diesem Fall von klonaler Hämatopoese unbestimmten Potenzials (CHIP). Lange Zeit galt CHIP vor allem als Risikofaktor für Blutkrebs. Eine aktuelle Studie im European Heart Journal zeigt nun, dass CHIP bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit häufig vorkommt, Herz und Gefäße schädigen kann und die Lebenserwartung der Betroffenen reduziert.
Ein internationales Forschungsteam, geleitet von Dr. Moritz von Scheidt am TUM Klinikum Deutsches Herzzentrum und vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), untersuchte die genetischen Daten von mehr als 8.600 Patienten mit koronarer Herzkrankheit. Bei rund 30 Prozent dieser Patienten wurden CHIP-Mutationen festgestellt. Im Vergleich zu Betroffenen ohne CHIP war ihr Risiko, innerhalb von drei Jahren zu sterben, um fast 40 Prozent höher. Am häufigsten waren Veränderungen in den Genen TET2, DNMT3A und ASXL1 nachweisbar.
Warum CHIP gefährlich ist – neuer Mechanismus
Neben der bereits bekannten entzündungsfördernden Wirkung von TET2-CHIP-Mutationen konnte experimentell ein bislang unbekannter Mechanismus identifiziert werden. Die mutierten Immunzellen nahmen vermehrt Cholesterin auf, verwandelten sich in sogenannte Schaumzellen und verstärkten so die lokale Entzündung sowie das Fortschreiten der Plaquebildung in den Gefäßen. Diese Prozesse führten zu instabilen Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen, die leichter aufbrechen können – eine zentrale Ursache für Herzinfarkte. Somit ist klar, dass CHIP direkt zur Verschlechterung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beiträgt.
Neue Chancen für Diagnose und Therapie
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass CHIP ein bislang unterschätzter Risikofaktor für Herzpatienten ist. Indem wir CHIP systematisch erkennen und verstehen, können wir das individuelle Risiko besser einschätzen und langfristig neue, gezielte Therapien entwickeln“, betonen Prof. Heribert Schunkert, Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen am TUM Klinikum Deutsches Herzzentrum und Dr. Moritz von Scheidt, Leiter der Studie.
Deutsches CHIP Register e.V. – Patienten im Mittelpunkt
Bislang gibt es keine spezifischen Screening- oder Therapieempfehlungen für Betroffene. Um CHIP in Deutschland systematisch zu erfassen, wurde das Deutsche CHIP Register e.V. gegründet (www.chip-register.de). Der gemeinnützige Verein ist patientenzentriert organisiert und verfolgt das Ziel, ein Screening sowie eine individuelle Risikoeinschätzung zu ermöglichen. Betroffene erhalten Empfehlungen zur Optimierung ihres persönlichen Risikoprofils und können langfristig begleitet werden. Dr. Moritz von Scheidt ist Vorstand des Deutschen CHIP Register e.V. und setzt sich dafür ein, dass Forschungsergebnisse möglichst schnell in die Praxis gelangen – zum direkten Nutzen der Betroffenen
Originalpublikation:
Clonal haematopoiesis of indeterminate potential and mortality in coronary artery disease. von Scheidt et al., Eur Heart J, 2025 Sep 3