Alzheimer-Forschung zwischen den USA und Österreich
Die US-Amerikanerin Lindsay Hohsfield bringt frischen Wind in die Alzheimer-Forschung. Im Rahmen des ÖAW-Programms „APART-USA” kommt sie nach Österreich, um an den neuesten Therapien zur Bekämpfung der Krankheit zu forschen.
Mit der Zulassung neuartiger Antikörpertherapien wie Leqembi und Kisunla erlebt die Alzheimer-Forschung einen Wendepunkt. Lindsay Hohsfield ist Neuroimmunologin, APART-USA-Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und forscht an den molekularen Mechanismen der Krankheit sowie an Strategien, um sie früh zu erkennen und zu stoppen. Nach Jahren an der University of California arbeitet sie nun an der Universität Innsbruck, um die Vision einer präventablen Alzheimer-Erkrankung ein Stück näherzubringen.
Antikörper und Biomarker
Welche sind die jüngsten Durchbrüche in der Alzheimer-Forschung?
Lindsay Hohsfield: Der bedeutendste Durchbruch im Bereich der Alzheimer-Krankheit war die behördliche Zulassung von Leqembi (Lecanemab) und Kisunla (Donanemab) – in den USA durch die FDA und in der EU durch die Europäische Kommission. Es handelt sich dabei um Antikörpertherapien, die auf Amyloid-Plaques im Gehirn abzielen. Klinische Studien haben gezeigt, dass diese Therapien nicht nur sehr effektiv dabei sind, Abeta aus dem Gehirn zu entfernen – ein von zwei toxischen Proteinen, die sich bei Alzheimer ansammeln –, sondern auch den kognitiven Abbau bei Patient:innen im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit verlangsamen.
Ein weiterer Durchbruch sind die blutbasierten Biomarker, die die Alzheimer-Diagnostik verändern, indem sie teure und invasive Verfahren wie PET-Scans oder Lumbalpunktionen durch einfache, leicht zugängliche Bluttests ersetzen. Mithilfe von Multi-Omics-Ansätzen können Forscher:innen Tausende molekulare Interaktionen gleichzeitig untersuchen und verstehen, wie sich Gene, Proteine und Zellen bei der Krankheit verändern. Künstliche Intelligenz beschleunigt den Fortschritt zusätzlich, indem sie riesige Datensätze analysiert und potenzielle Wirkstoffe viel schneller screenen kann, als es Menschen möglich wäre.
Neue Therapien verlangsamen Krankheitsverlauf
Wie verändern die neuen Therapien Leqembi (Lecanemab) und Kisunla (Donanemab) die Behandlung von Alzheimer im Frühstadium?
Hohsfield: Leqembi (Lecanemab) und Kisunla (Donanemab) verändern die Behandlung von Alzheimer im Frühstadium grundlegend. Klinische Studien zeigen, dass diese Therapien den kognitiven Abbau um 27–35 Prozent verlangsamen. Das bedeutet, dass wir jetzt Therapien haben, die den Krankheitsverlauf bei frühzeitiger Einnahme signifikant verlangsamen können. Dies ermöglicht Menschen mit Alzheimer im Frühstadium letztlich mehr Jahre ohne Behinderung oder kognitive Einschränkungen, mehr Zeit mit der Familie und mehr Erinnerungen.
Was sind darüber hinaus die größten Herausforderungen, denen sich Forscher:innen bei der Entwicklung von Alzheimer-Therapien gegenübersehen?
Hohsfield: Eine der größten Herausforderungen ist die Blut-Hirn-Schranke. Diese Barriere schützt das Gehirn, indem sie streng kontrolliert, welche Substanzen in das Gehirn gelangen oder es verlassen. Zwar schützt sie das Gehirn vor schädlichen Molekülen, jedoch macht sie es Forschenden auch extrem schwer, Therapien ins Gehirn zu transportieren. Es gibt jedoch mehrere innovative Strategien, die entwickelt werden, um diese Barriere zu überwinden. Ein Beispiel ist ein molekulares „Trojanisches Pferd“, das Moleküle durch die Blut-Hirn-Schranke schleust.
Welche Rolle spielen genetische Faktoren beim Risiko, an Alzheimer zu erkranken?
Hohsfield: Mehrere genetische Faktoren erhöhen das Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Für die spät auftretende, sporadische Alzheimer-Krankheit ist der stärkste genetische Risikofaktor APOE4. Personen mit einer Kopie von APOE4 haben ein 3- bis 4-fach höheres Risiko, Alzheimer zu entwickeln, während Personen mit zwei Kopien von APOE4 ein 8- bis 15-fach höheres Risiko haben.
Was ist familiäre Alzheimer-Krankheit und wann kann ein Gentest sinnvoll sein?
Hohsfield: Familiäre Alzheimer-Krankheit ist eine seltene, vererbte Form, verursacht durch Mutationen in den Genen APP, PSEN1 oder PSEN2. Sie tritt meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr auf und jedes Kind einer betroffenen Person hat ein 50-prozentiges Risiko, die Mutation zu erben, oft über mehrere Generationen hinweg. Gentests werden nur bei Familien mit einer starken Vorgeschichte von früh einsetzender Alzheimer-Krankheit (über drei oder mehr Generationen hinweg) empfohlen.
Personalisierte Behandlungspläne
Wie stellen Sie sich Alzheimer-Therapie in 20 Jahren vor?
Hohsfield: Ich stelle mir vor, dass es in 20 Jahren Routine-Blutuntersuchungen zur Erkennung von Amyloid-Ablagerungen bei Menschen mit genetischem Risiko gibt. Eine frühzeitige Behandlung könnte Alzheimer verhindern oder verzögern – möglicherweise verschiebt sie den Krankheitsbeginn von 55 auf 90 Jahre oder verhindert ihn sogar ganz.
Ich stelle mir eine breite Palette von Therapien vor, die Tau, Neuroinflammation und neuronalen Verlust gezielt bekämpfen. Diese Therapien sollen in personalisierten Behandlungsplänen kombiniert werden, die dem Krankheitsstadium und der Biologie jedes Patienten entsprechen. Dadurch würde Alzheimer zu einer präventablen und beherrschbaren Krankheit werden.
Was hat Sie dazu bewegt, im Rahmen von APART-USA in Österreich zu forschen?
Hohsfield: Während meiner Zeit an der Medizinischen Universität Innsbruck habe ich im Bereich der Neuroimmunologie geforscht, neue Immunwege ins Gehirn entdeckt und entscheidende Interaktionen zwischen Gehirn und Immunsystem bei neurologischen Erkrankungen aufgezeigt. Diese Zeit bot mir eine starke wissenschaftliche Ausbildung und wertvolle Kooperationen, die Forschung und Patientenversorgung verbinden.
Seit meiner Ankunft als Fulbright-Stipendiat im Jahr 2010 habe ich enge Verbindungen zu Österreich aufgebaut. Diese mündeten schließlich in meinem APART-US-Stipendium und verbinden seither österreichische, europäische und US-amerikanische Forschungsnetzwerke. Mit meiner Arbeit – und mit meiner Nonprofit-Organisation Youngtimers, die Patienten mit früh einsetzender Alzheimer-Krankheit unterstützt – möchte ich die globale Zusammenarbeit stärken und die Versorgung sowie die Forschung weltweit vorantreiben.Lebensstilfaktoren, die eine wichtige Rolle bei der Prävention von Alzheimer spielen:• Regelmäßiges Training (150 Minuten pro Woche mit moderater Intensität, z. B. Radfahren oder Schwimmen)
• Mediterrane Ernährung: Fisch, reich an Omega-3-Fettsäuren, Obst, Gemüse, Nüsse, Vollkornprodukte
• Schlaf (7–9 Stunden qualitativ hochwertiger Schlaf)
• Soziale Aktivitäten und sinnstiftende Beziehungen
• Lebenslanges Lernen und kognitive Stimulation (z. B. ein neues Instrument oder eine neue Sprache lernen)
• Herzgesundheit beachten („Was gut fürs Herz ist, ist gut fürs Gehirn“). Diabetes und Bluthochdruck erhöhen das Alzheimer-Risiko.Außerdem: Rauchen aufgeben, Stress reduzieren (z. B. durch Yoga oder Meditation) und Kopfverletzungen vermeiden (z. B. durch das Tragen eines Helms).Auf einen Blick
Lindsay Hohsfield studierte Molekular-, Zell- und Entwicklungsbiologie an der University of Colorado in Boulder. 2009 kam sie mit einem Fulbright-Stipendium nach Österreich und promovierte 2014 in Neurowissenschaften an der Medizinischen Universität Innsbruck. Bevor sie im Herbst 2025 im Rahmen von APART-USA an die Universität Innsbruck zurückkehrte, forschte sie an der University of California, Irvine, zur Rolle des Immunsystems bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer.