Aktueller Stand der Lungenkrebstherapie

Original Titel:
Immuntherapie beim Lungenkarzinom

MedWiss In den letzten vier Jahren hat sich bei der Behandlung von Lungenkrebs einiges getan. Neue Therapieoptionen sorgen für bessere Behandlungsergebnisse. Auch für den kleinzelligen Lungenkrebs könnte 2019 eine zielgerichtete Therapie verfügbar werden.


Lungenkrebs gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen und hat oft eine schlechte Prognose. Doch seit der ersten Zulassung einer Immuntherapie im Jahre 2015 für nicht-kleinzelligen Lungenkrebs hat sich die Behandlung für Erkrankungen dieser Art rasant verändert. Inzwischen gibt es verschiedene Immuntherapien, die auf verschiedene genetische Merkmale oder genetische Veränderungen von Krebszellen abzielen.

Zusammenfassung zum aktuellen Stand der Therapie

Prof. Dr. med. Frank Griesinger vom Pius-Hospital in Oldenburg hat für die Plattform Onkotrends den Stand der Behandlung von Lungenkrebs im Januar 2019 zusammengefasst. Im Pius-Hospital in Oldenburg hat dieses Jahr im Februar auch die Tagung „Thorakale Tumore“ stattgefunden, auf der sich seit 15 Jahren Lungenkrebsexperten treffen und über aktuelle Entwicklungen in ihrem Fachgebiet austauschen.

Zielgerichtete Therapien haben Behandlung von Lungenkrebs revolutioniert

Zwei Innovationen haben den Fortschritt in der Behandlung von Lungenkrebs vorangetrieben. Zum einen der Nachweis von sogenannten Treibermutationen bei jedem vierten Patienten, zum anderen der Nachweis des Ansprechens auf Immun-Checkpoint-Hemmer. Treibermutationen sind genetische Veränderungen in Krebszellen, die das ungebremste Wachstum der Krebszellen begünstigen. Immun-Checkpoint-Hemmer sind spezielle Wirkstoffe, die zielgerichtet Oberflächensignale blockieren, die das Immunsystem bremsen. So soll die körpereigene Abwehr besser gegen Krebszellen vorgehen können.

Genaue Erfassung von Merkmalen des Tumors wichtig

Zu Beginn steht bei einer Lungenkrebsdiagnose der Nachweis, um welche Krebsart es sich handelt. Neben der Einteilung in kleinzelligen Lungenkrebs (SCLC) und nicht-kleinzelligen Lungenkrebs (NSCLC) gilt es dabei auch Unterformen des NSCLC zu diagnostizieren. Dabei unterscheiden Ärzte vor allem zwischen Nicht-Plattenepithelkarzinomen und Plattenepithelkarzinomen, manchmal auch als „squamös“ bezeichnet. Die Unterscheidung bezieht sich darauf, aus welchen Gewebe die Krebszellen ursprünglich hervorgegangen sind und kann auch Auswirkungen auf die Therapie haben. Anhand einer Gewebeprobe kann ein Pathologe eine entsprechende Einteilung vornehmen. Dabei sollen, so Griesinger, die Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Thoraxpathologie berücksichtigt werden, um möglichst viele Erkenntnisse aus einer Gewebeprobe zu gewinnen. Für eine optimale Therapie ist es ebenso wichtig, dass die Gewebeprobe der Patienten auf Merkmale getestet wird, die für den Einsatz von modernen Therapien notwendig sind. Immer noch werden viele Patienten nicht auf bestimmte Biomarker für zielgerichtete Therapien getestet.

Verschiedene Optionen für verschiedene Tumorstadien

Auch wie weit die Erkrankung zum Zeitpunkt der Diagnose fortgeschritten ist, bestimmt, welche Therapieoptionen zur Auswahl stehen. So ist Lungenkrebs im fortgeschrittenem Stadium IV noch unterteilt in IVa und IVb. Im Stadium IVa gibt es Tumorabsiedelungen (Metastasen) in einem anderen Organ z. B. in den Nebennieren, der Leber oder auch in Knochen oder aber bis zu drei Metastasen im zentralen Nervensystem, sprich Gehirn und Rückenmark. Wo sich Metastasen im Körper befinden, können Ärzte durch spezielle Untersuchungen, einem sogenannten PET-Scan und MRT-Untersuchungen feststellen. Nach Möglichkeit wird hier operiert und zusätzlich mit z. B. einer Chemotherapie behandelt. Zur Findung der besten Therapie in diesem Stadium solle der Behandlungsplan immer in einer interdisziplinären Tumorkonferenz individuell festgelegt werden. Bei einer interdisziplinären Tumorkonferenz tauschen sich Experten der verschiedenen Fachbereiche zu einem Fall aus und überlegen gemeinsam, was die beste Option ist.

Bestimmte Merkmale in den Genen oder auf der Oberfläche der Zellen als Angriffspunkt

Wenn es bereits zu mehr Metastasen gekommen ist, sprechen Ärzte vom Tumorstadium IVb. Hier geht es dann vor allem darum, das Leben des Patienten so lange wie möglich zu verlängern und Beschwerden durch den Lungenkrebs zu mildern. Hier können bestimmte zielgerichtete Therapien zum Einsatz kommen, daher sei es wichtig, beim Nicht-Plattenepithelkarzinom unabhängig vom Raucherstatus und bei Patienten mit Plattenepithelkarzinom, die nie oder nur leicht geraucht haben, zu bestimmen, ob die Krebszellen EGRF-, ALK- oder ROS-positiv sind oder eine BRAV-V600-Mutation vorliegt. Ebenso sollte bei allen NSCLC-Patienten untersucht werden, ob und wie häufig das Oberflächenmerkmal PD-L1 auf den Tumorzellen zu finden ist. Hier setzen Immun-Checkpoint-Hemmer an.

Immun-Checkpoint-Hemmer allein oder in Kombination mit Chemotherapie

Liegt eine Treibermutation vor, sollten Patienten erst eine dafür zielgerichtete Therapie erhalten. Patienten, bei denen keine solche Mutation vorliegt, sollten als erstes eine Therapie mit einem Immun-Checkpoint-Hemmer erhalten. Patienten mit NSCLC und einer PD-L1-Expression von 50 % oder mehr auf den Tumorzellen können seit Januar 2017 mit dem Antikörper Pembrolizumab allein behandelt werden. Er gilt als wirksamer und besser verträglich als die bisherige Standardchemotherapie bei Nicht-Plattenepithelkarzinomen. Auch eine Kombinationstherapie aus Chemotherapie und Immun-Checkpoint-Hemmern ist möglich, unabhängig davon wie viel PD-L1 die Krebszellen aufweisen, und ist für das Nicht-Plattenepithelkarzinom auch bereits zugelassen. Die Zulassungen für diese Form der Kombinationstherapie werden für Plattenepithelkarzinome in Kürze erwartet, so der Autor. Ob Patienten mit Tumoren, die viel PD-L1 auf ihrer Oberfläche tragen (50 % oder mehr) ebenfalls mit einer Kombination aus Chemotherapie und Immun-Checkpoint-Hemmern oder einem Immun-Checkpoint-Hemmer allein behandelt werden sollten, ist bisher wissenschaftlich nicht geklärt. Es fehlen Untersuchungen, die einen direkten Vergleich der beiden Behandlungsregime vornehmen. Prof. Dr. med. Griesinger vertritt jedoch die Position, dass die Daten zur Dauer bis zum Krankheitsfortschritt (progressionsfreies Überleben) und zum Gesamtüberleben für eine Kombinationstherapie sprechen. Er sieht hier vor allem Vorteile für Patienten, die nie oder wenig geraucht haben und vermutet ebenso Vorteile für Patienten mit einer hohen Tumorlast und bei denen die Erkrankung schnell voranschreitet. Daher empfiehlt er, dass jeder Chemotherapie-fähige Patienten auch eine Kombination aus Immun-Checkpoint-Hemmer und Chemotherapie erhält. Prof. Dr. med. Griesinger betont aber, dass dies nur seine Meinung als Experte ist.

Auch Patienten mit wenig PD-L1 oder mit schwierigen Verläufen können profitieren

Weitere Studien zum Nutzen von Immun-Checkpoint-Hemmern zeigte außerdem, dass auch Patienten mit Nicht-Plattenepithelkarzinom und niedrigem PD-L1 von einer Kombination aus Chemotherapie und Immun-Checkpoint-Hemmer profitieren können. Kombinationen mit Pembrolizumab und Atezolizumab sind inzwischen zugelassen. Für Patienten mit metastasierten Nicht-Plattenepithel NSCLC mit einer EGFR-Mutation, bei denen alle anderen zielgerichteten Therapien ausgeschöpft wurden, oder Lebermetastasen aufweisen, könnte auch eine Kombination aus zwei Chemotherapiewirkstoffen und den Antikörper Bevacizumab und Atezolizumab als Vierfachkombination helfen.

Im Stadium III kann eine Therapie mit Immun-Checkpoint-Hemmern auch im Anschluss an eine Chemotherapie oder Radio-Chemotherapie als Konsolidierungstherapie erfolgen. So soll ein Rückfall verhindert bzw. die Zeit bis zu einem Rückfall verlängert werden. Eine Untersuchung zum Antikörper Durvalumab legt nahe, dass Patienten innerhalb von 14 Tagen nach einer Radio-Chemotherapie mit der Immuntherapie beginnen sollten. Zentren sollten daher die Umstellung vorab planen, damit es zu keinen Verzögerungen kommt.

Hoffnung auf zielgerichtete Therapie bei kleinzelligem Lungenkrebs

Auch für die Behandlung von dem selteneren kleinzelligen Lungenkrebs zeichnet sich laut dem Autor eine Zulassung für einen Immun-Checkpoint-Hemmer in Kombination mit der Standardchemotherapie aus Carboplatin und Etoposid für 2019 ab. Mit der Kombinationstherapie ließ sich in Studien das Überleben der Patienten verbesseren. Bisher gibt es keine zielgerichteten Therapien für die Behandlung von kleinzelligem Lungenkrebs, die Kombinationstherapie wäre damit die erste in diese Richtung. Die Wissenschaft arbeitet aber auch hier an weiteren Optionen.

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