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Der neuartige therapeutische Impfstoff TherVacB zur Bekämpfung der chronischen Hepatitis B hat die erste klinische Studienphase erreicht. Der Impfstoff wurde unter der Leitung von Helmholtz Munich entwickelt. In der klinischen Studie der Phase 1a, durchgeführt am Tropeninstitut des LMU Klinikums München mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf als Sponsor der klinischen Prüfung, werden Sicherheit und Immunogenität des neuartigen Impfstoffkandidaten an gesunden Probanden untersucht. Die erste klinische Studie mit Patient:innen, die an chronischer Hepatitis B leiden, wird derzeit vorbereitet und in 2024 beginnen.

Globale Herausforderung: Chronische Hepatitis B betrifft Millionen Menschen ohne derzeitige Heilung

Die chronische Hepatitis B, verursacht durch eine Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV), ist eine entzündliche Lebererkrankung, die zu Gewebeschäden führt. Eine anhaltende HBV-Infektion, bei der das Immunsystem das Virus nicht vollständig eliminieren kann, kann zu fortlaufenden Leberschäden, Leberzirrhose und sogar Leberkrebs führen. HBV-Infektionen haben weltweit eine hohe Prävalenz, insbesondere in Gebieten, bei denen die Übertragung hauptsächlich von der Mutter auf ihr Kind während der Geburt erfolgt. Die Übertragung erfolgt durch Blut, sexuellen Kontakt oder von der Mutter auf das auf Neugeborene. Letzteres ist die häufigste Ursache für eine chronische Infektion. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass weltweit etwa 296 Millionen Menschen mit chronischen HBV-Infektionen leben; jedes Jahr sterben rund 820.000 Menschen an den Folgen. Zu den derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten gehören antivirale Medikamente, die zwar die Viruslast und die Leberentzündung reduzieren, aber keine Heilung bewirken. Darüber hinaus müssen Nukleotid-Analoga, die den aktuellen Standard der Versorgung darstellen, täglich eingenommen werden und sind nicht weltweit allgemein verfügbar. Folglich besteht ein dringender Bedarf an einer Heilungsmethode.

Nach 12 Jahren Grundlagenforschung: TherVacB geht in die Erprobung am Menschen

Nach umfangreichen präklinischen Tests und der Herstellung des Impfstoffs nach den Richtlinien der „Guten klinischen Praxis“ wurde am 25. Januar 2024 ein entscheidender Meilenstein erreicht, als der erste Teilnehmer in die klinische Studie von TherVacB eingeschlossen wurde. Dabei handelt es sich um eine offene Phase-1a-Studie mit steigender Dosierung zur Untersuchung der Sicherheit und Immunogenität von TherVacB bei 24 gesunden Teilnehmenden im Alter von 18 bis 65 Jahren. Mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf als Sponsor und Prof. Dr. Marylyn Addo als Studienleiterin ist die Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin am LMU Klinikum München unter der Leitung von Dr. med. Mirjam Schunk für die Durchführung der klinischen Studie verantwortlich. Gleichzeitig laufen die Vorbereitungen für die Beantragung der „First-in-Patient“-Studie der Phase 1b/2a, die die Sicherheit und Wirksamkeit bei Patient:innen mit chronischer Hepatitis B untersuchen soll. Diese Studie soll in Deutschland, Italien, Spanien, England und Tansania durchgeführt werden und wird von der Europäischen Union im Rahmen eines „Horizon 2020“-Forschungsprojekts gefördert.

TherVacB: Innovatives Impfstoffdesign für potenzielle Heilung

TherVacB ist ein therapeutischer Impfstoff. Im Gegensatz zu prophylaktischen Impfstoffen, die Krankheiten vorbeugen, zielen therapeutische Impfstoffe auf die Heilung einer bestehenden Krankheit ab, beispielsweise einer chronischen Infektion. Therapeutische Impfstoffe stärken das körpereigene Immunsystem, um die Krankheit zu bekämpfen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden zahlreiche Versuche unternommen, wirksame therapeutische Hepatitis-B-Impfstoffe zu entwickeln, aber keiner von ihnen war bisher erfolgreich. Forschende fanden heraus, dass das Hepatitis-B-Virus bestimmte Immunzellen des Körpers daran hindert, wirksam zu werden. Darauf aufbauend haben Wissenschaftler:innen bei Helmholtz Munich in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und der Proof-of-Concept-Initiative der Helmholtz-Gemeinschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft einen neuartigen Therapieansatz entwickelt, um diese Immunzellen durch eine therapeutische Impfung zu aktivieren und so die chronische HBV-Infektion zu heilen.Weitere Informationen

Die Ergebnisse der klinischen Studie der Phase 1a werden voraussichtlich bis Ende 2024 veröffentlicht. Lesen Sie mehr über die Einzelheiten der klinischen Studie. Wenn Sie an einer Teilnahme an der TherVacB-Studie interessiert sind, finden Sie weitere Informationen unter www.impfstudien-tropeninstitut.de

Über die Wissenschaftler:innen

Prof. Dr. Ulrike Protzer, stellvertretende Leiterin des Molecular Targets and Therapies Center bei Helmholtz Munich, Direktorin des Instituts für Virologie bei Helmholtz Munich und der Technischen Universität München, Professorin der Virologie bei der TUM School of Medicine and Health

Prof. Dr. Marylyn Addo, Direktorin des Instituts für Infektionsforschung und Impfstoffentwicklung, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin

Dr. med. Mirjam Schunk, Leiterin des klinischen Studienzentrums, Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin, LMU Klinikum München

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Eine wesentliche Voraussetzung für die Behandlung von degenerativen Erkrankungen und bestimmten Krebsarten ist ein besseres Verständnis von Ferroptose. Forschende unter der Leitung von Dr. Kamyar Hadian von Helmholtz Munich haben herausgefunden, dass der Farnesoid X Rezeptor (FXR), welcher durch Gallensäure aktiviert wird, eine Schlüsselkomponente im Ferroptoseprozess ist und damit einen möglichen therapeutischen Ansatz für die Behandlung von Krankheiten bietet.

Der Zelltod spielt eine essenzielle Rolle für die Funktionsweise nahezu aller vielzelligen Organismen. Er trägt zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts in Geweben bei, indem beschädigte oder fehlerhafte Zellen eliminiert werden. Es gibt eine Reihe verschiedener regulierter Prozesse für den Zelltod: ein Beispiel ist die Ferroptose. Durch eisenabhängige oxidative Schäden an zellulären Lipiden, die ein wesentlicher Bestandteil von Zellmembranen sind, werden diese abgebaut, wodurch die Zelle schließlich abstirbt. Ferroptose tritt in einer Reihe von degenerativen Erkrankungen auf, einschließlich Neurodegeneration, akuter Nieren- und Leberschädigung und vielen anderen. Darüber hinaus ist bereits bekannt, dass mehrere Krebsarten anfällig für einen Zelltod mittels Ferroptose sind. Daher ist ein vertieftes Verständnis der molekularen Mechanismen von Ferroptose entscheidend, um spezifische Zielstrukturen für eine gezielte Therapie zu identifizieren. Obwohl in der vergangenen Dekade erhebliche Fortschritte bei der Erforschung der Mechanismen zur Induktion oder Hemmung der Ferroptose erzielt wurden, bleiben viele regulatorische Einzelheiten noch unentdeckt.

Farnesoid X Receptor Aktivierung durch Gallensäure verhindert den Zelltod durch Ferroptose

Ein Team von Forschenden um Dr. Kamyar Hadian aus der Abteilung Signaling und Translation von Helmholtz Munich identifizierte neue regulatorische Komponenten Im Ferroptoseprozess. Die Wissenschaftler:innen behandelten Zellen mit tausenden verschiedenen Wirkstoffen und analysierten anschließend, wie viele der Zellen noch leben. So konnten Signalwege und Regulatoren identifiziert werden, die im Zusammenhang mit Ferroptose stehen. Der Farnesoid X Receptor (FXR) im Zellkern hat sich als ein wirksamer negativer Regulator der Lipidperoxidation und somit auch von Ferroptose erwiesen. Der FXR ist hauptsächlich in der Leber, Niere und im Dünndarm zu finden und wird durch Gallensäure aktiviert. In der neuen Studie aus dem Fachjournal Nature Communications wird deutlich, dass der FXR ein zentraler Regulator der Ferroptose ist. Er steigert die Proteinkonzentration von entscheidenden Schlüsselregulatoren der Ferroptose wodurch effektiv die Lipidperoxidation und die Ferroptose unterbunden wird. Schlussfolgernd kann die Aktivierung des FXR durch Gallensäuren oder spezifische kleine Moleküle Zellen vor Zelltod durch Ferroptose bewahren.

Die Erkenntnisse legen nahe, dass der FXR in Organen und Geweben, die üblicherweise einer erhöhten Belastung durch Toxine oder Arzneimittelmetaboliten ausgesetzt sind, verstärkt aktiviert wird, um die Zellen vor dem ferroptotischen Zelltod zu schützen. Zukünftige Studien könnten innovative Wirkstoffe zur Prävention des Zelltods durch Ferroptose bei degenerativen Erkrankungen wie akuter Nieren- oder Leberschädigung evaluieren. Zusätzlich offenbart diese Studie eine unerwartete neue Funktion für Gallensäuren als Hemmstoffe der Lipidperoxidation und der Ferroptose.

Originalpublikation

Tschuck et. al (2023): Farnesoid X Receptor activation by bile acids suppresses lipid peroxidation and ferroptosis. Nature Communications. DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-023-42702-8

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