Migräne

Zu Herzkreislaufrisiken und Gegenanzeigen: nicht jeder Migränepatient sollte Triptane nehmen

Original Titel:
Framingham-Based Cardiovascular Risk Estimates Among People With Episodic Migraine in the US Population: Results from the American Migraine Prevalence and Prevention (AMPP) Study

Akute Herzkreislauferkrankungen (kardiovaskuläre Events) wie beispielsweise ein Herzinfarkt oder Schlaganfall, entsprechende chronische Probleme oder bereits erfolgte Behandlungen solcher Erkrankungen sind bei Migränepatienten relativ häufig. Sie stellen eine der Gegenanzeigen, also Kontraindikationen, für die Einnahme von Triptanen zur Akutbehandlung von Migräne dar. Auch eine Behandlung auf Basis von Mutterkorn, auch Ergot genannt, sollte nicht stattfinden, wenn Patienten ein Risiko für Herzkreislauferkrankungen haben. In einer früheren Studie schätzten die Autoren, dass allein in den USA etwa 2,6 Millionen erwachsene Patienten mit episodischer Migräne auch bereits mindestens ein kardiovaskuläres Event erlitten hatten. Bei der Studie wurden allerdings nicht die Patienten berücksichtigt, die nur ein hohes Risiko für beispielsweise einen Herzinfarkt hatten. Prof. Lipton, Neurologe und Kopfschmerzexperte am Albert Einstein College of Medicine in New York, untersuchte daher nun mit Kollegen aus der epidemiologischen Forschung in den USA sowie Dr. Kurth von der Charité in Berlin, einem Experten für das öffentliche Gesundheitswesen, wie hoch das individuelle Risiko für Herzkreislauferkrankungen bei Migränepatienten ist.

Dazu analysierte die Gruppe Bevölkerungs- und Krankheitsdaten aus einer Studie zur Häufigkeit von Migräne und deren Prävention in den USA (american migraine prevalence and prevention study, AMPP). Mit einer Risikobewertungsgleichung aus der Framingham Herzstudie wurde der Framingham-Risikowert (Framingham risk score, FRS) und damit das jeweilige Risiko der Migränepatienten für Herzkreislauferkrankungen innerhalb der nächsten 10 Jahre abgeschätzt. Diese Zahlen wurden dann auf die US-Bevölkerung angewandt, um eine Vermutung zu entwickeln, wie groß dieses Risiko für Triptan- oder Ergotnutzer sein könnte.

Die AMPP-Studie von 2009 hatte Menschen im Alter von mindestens 22 Jahren mit episodischer Migräne befragt. Die Daten beinhalteten unter anderem Geschlecht, Alter, Körpergröße und Gewicht, ob die Patienten rauchten, ob sie an Bluthochdruck oder unter Diabetes litten. Daraus ermittelten die Wissenschaftler einen FRS-Wert von mindestens 21 für Frauen und mindestens 16 für Männer. Diese Werte bedeuten ein um 30 % erhöhtes Risiko für ein erstes akutes Herzkreislaufproblem (z.B. Herzinfarkt) innerhalb der nächsten 10 Jahre. Diese Werte wurden mit tatsächlichen bereits erlittenen Herzerkrankungen abgeglichen und auf die Migränepatienten der Gesamtbevölkerung der USA hochgerechnet.

In der AMPP-Studie waren 5227 Frauen und 1496 Männer mit episodischer Migräne erfasst worden. Im Ergebnis zeigte sich, dass 69,5 % der Frauen und 73,4 % der Männer mindestens einen Risikofaktor gemäß der FRS-Skala hatten. 38,9 % der Frauen und 41,6 % der Männer hatten mindestens 2, und 18,6 % der Frauen und 19,1 % der Männer sogar mindestens 3 Risikofaktoren für eine Herzkreislaufproblematik. Keine der 22 bis 39-Jahre alten Frauen hatte einen hohen FRS-Risikowert, nur 0,8 % der Frauen in der Altersgruppe von 40 bis 59 Jahren, aber immerhin 15,2 % der Frauen im Alter von über 60 Jahren. Bei den jungen Männern zeigte sich ebenfalls kein hohes Risiko (0 %), im Alter von 40 bis 59 Jahren betraf das hohe Risiko immerhin 7,3 % der Männer, und dramatische 53 % der Männer über 60 mit Migräne, also jeder zweite, hatten ein hohes Risiko für Herzkreislauferkrankungen innerhalb der nächsten 10 Jahre. Hochgerechnet auf die US-Bevölkerung entsprach dies 403000 Frauen und 510000 Männern, die gleichzeitig episodische Migräneure waren und ein hohes Risiko für Herzkreislauferkrankungen hatten.

Davon hatten 141000 Männer zwischen 40 und 59 Jahren sowie 187000 Männer über 60 Jahren zuvor noch kein kardiovaskuläres Event wie einen Herzinfarkt erlitten. Bei den Frauen hatten 34000 zwischen 40 und 59 Jahren und 181000 über 60 Jahren bisher noch keine Herzkreislauferkrankung erlitten, aber nach dem FRS-Wert ein hohes Risiko dafür.

Zusammengefasst bedeutet dies, dass in der US-amerikanischen Bevölkerung über 900000 Männer und Frauen mit einer bestehenden Migräneerkrankung ein hohes Risiko für Herzkreislauferkrankungen haben. Von diesen könnten sich mehr als eine halbe Million Patienten ihres erhöhten Risikos nicht ausreichend bewusst sein, da sie noch keine akute Erkrankung erlitten haben. Diese Zahlen könnten in Zentraleuropa vergleichbar sein. Mit einem Risiko für Herzkreislaufprobleme sollten Triptane und Ergot-Behandlungen vermieden werden. Migränepatienten sollten sich also verstärkt bewusstmachen, ob sie ein erhöhtes Risiko für Herzkreislaufprobleme haben, wie sie dem begegnen könnten und eine entsprechende Anpassung ihrer Migränetherapie mit ihrem Arzt besprechen.

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