Multiple Sklerose

Lumbalpunktion: Die Nadel macht den Unterschied

Original Titel:
Atraumatic versus traumatic lumbar puncture needles: a systematic review and meta-analysis protocol.

Die Untersuchung von Liquor, auch Nervenwasser, Hirnwasser oder Zerebrospinalflüssigkeit genannt, wird häufig bei einem Verdacht auf MS durchgeführt. Dazu wird eine Hohlnadel zwischen zwei Wirbeln bis in den Wirbelkanal eingeführt und etwas von der Flüssigkeit, die Gehirn und Rückenmark umgibt, abgenommen. Das nennt man Lumbalpunktion und ist einer der häufigsten durchgeführten Eingriffe. Neben der Diagnose anhand von Liquorproben werden auch Kontrastmittel für bildgebende Verfahren injiziert, oder Medikamente, wie Chemotherapeutika oder Betäubungsmittel, verabreicht. Auch bei einem Wasserkopf, Hydrozephalus genannt, bei dem die mit Liquor gefüllten Ventrikel im Gehirn sich krankhaft erweitern, kommt die Lumbalpunktion zum Einsatz. So kann Flüssigkeit abgelassen und der Druck im Kopf gesenkt werden.

Druckabfall im Wirbelkanal vermutlich Ursache für Begleiterscheinungen

Für genau diese Behandlung eines Wasserkopfs hatte Heinrich Inrenaeus Quincke 1891 die Lumbalpunktion eingeführt. Die dafür verwendete, schräg angeschliffene und daher scharfkantige Nadel wird bis heute nach ihrem Erfinder Quinckekanüle genannt. Die Kanüle zerschneidet das Gewebe und so bleibt nach dem Zurückziehen der Nadel meist ein Loch, aus dem auch nach der Probenentnahme noch Liquor austreten kann. Dieser Austritt und der damit verbundene Druckabfall im Wirbelkanal und den Ventrikeln wird als Auslöser für Kopfschmerzen nach einer Lumbalpunktion vermutet. Diese sind, neben anderen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel und Schmerzen an der Punktionsstelle, die häufigste Begleiterscheinung. Die Kopfschmerzen können so stark sein, dass sie das Wohlbefinden der Patienten stark einschränken und die Behandlung im Krankenhaus notwendig wird.

Gewebeschonende Nadel gibt es bereits sei den 1980er-Jahren

Besonderen Einfluss auf das Auftreten von Kopfschmerzen, neben Faktoren wie der Erfahrung des Durchführenden, Position des Patienten und Durchmesser der Nadel, scheint die Beschaffenheit der Nadelspitze zu haben. Es wird schon länger vermutet, dass gewebeschonende Nadeln (atraumatische Nadeln) besser geeignet sind für Lumbalpunktionen als normale Kanülen. Gewebeschonende Nadeln gibt es bereits seit den 1980er-Jahren, aber sie sollen sich schlechter handhaben lassen, denn sie durchstechen das Gewebe nicht, sondern verdrängen es nur. Wird die Nadel entfernt, verschließt sich daher das Loch wieder. Dennoch kann es nötig sein, zunächst die Haut mit einem Skalpell anzuritzen oder mit einer scharfen Nadel vorzustechen. In der klinischen Praxis konnten sich gewebeschonende Nadeln aber bisher noch nicht durchsetzen, manchmal sind sie gar unbekannt.

Weniger Nebenwirkungen, ähnliche Erfolgsrate

Forscher aus Kanada haben daher Daten aus der Literatur analysiert von Patienten die eine Lumbalpunktion bekamen. Sie schauten, was für eine Nadel verwendet wurde und wie es den Patienten nach der Punktion ging. Durchsucht wurden 13 Datenbanken, gefunden wurden 110 geeignete Studien aus 29 Ländern mit insgesamt 31412 Teilnehmern. Die Auswertung der Daten zeigte, dass bei der Punktion mit der konventionellen Kanüle 11 % der Patienten Punktionskopfschmerzen hatten. Wurde eine gewebeschonende Nadel verwandt, waren es nur 4,2 %. Der Zusammenhang zwischen selteneren Punktionskopfschmerzen und der Verwendung von gewebeschonenden Nadeln war statistisch nicht nur nachweisbar, sondern auch sehr deutlich. Die Patienten, bei denen die Lumbalpunktion mit einer gewebeschonenden Nadel durchgeführt wurde, brauchten außerdem seltener eine Infusion mit Flüssigkeit oder eine Betäubung. Auch eine Reizung der Nervenwurzel, Hörstörungen oder die Notwendigkeit des Verschlusses des Lochs in der Membran des Wirbelkanals mit einer „Blutplombe“, damit kein weiterer Liquor austritt, waren seltener. Die Metaanalyse der Forscher zeigt außerdem, dass die Erfolgsrate im ersten Versuch sich nicht zwischen den Nadeln unterscheidet, obwohl die gewebeschonenden Nadeln sich schlechter handhaben lassen und weniger stabil sind als Quinckekanülen. Auch bei Versagerquote und der durchschnittlichen Anzahl der Versuche war statistisch kein Unterschied zwischen den Nadeltypen nachweisbar.

Experten fordern Umdenken bei der Lumbalpunktion

Das macht deutlich, dass die Lumbalpunktion mit atraumatischen Nadeln die schonendere Variante und damit patientenfreundlicher ist, selbst wenn Handhabung und Stabilität der Quinckekanüle unterlegen sind. Die Forscher veröffentlichten ihre Daten ebenfalls im renommierten Journal „The Lancet. Dort sprechen sich Neurologen im Editorial ebenfalls für ein Umdenken und die flächendeckende Anwendung von gewebeschonenden Nadeln für die Lumbalpunktion aus.

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