COVID-19 / Erkrankung

Procalcitonin als Marker für schwere Krankheitsverläufe: eine Meta-Analyse

Original Titel:
Procalcitonin in patients with severe coronavirus disease 2019 (COVID-19): a meta-analysis

Kurz & fundiert

  • Die Procalcitonin-Konzentration steigt unter bestimmten Umständen, beispielsweise nach einem Infekt, an
  • Eine Meta-Analyse zeigte, dass hohe Procalcitonin-Konzentrationen helfen könnten, um schwere Verläufe der COVID-19-Infektion vorherzusagen

 

MedWissExperten erwarten in den nächsten Wochen einen deutlichen Anstieg an COVID-19-Fällen in Deutschland. Um schwere Verläufe der Erkrankung frühzeitig erkennen und behandeln zu können und damit auch das deutsche Gesundheitssystem zu entlasten, läuft derzeit die Suche nach zuverlässigen Markern, mit denen sich komplizierte Verläufe der Erkrankung vorhersagen lassen. Eine Meta-Analyse zeigte nun, dass die Procalcitonin-Konzentration möglicherweise ein geeigneter Marker ist.


Procalcitonin ist eine Vorstufe des Hormons Calcitonin, welches in der Schilddrüse gebildet wird. Bei bakteriellen Infekten kann ein enormer Anstieg der Procalcitonin-Konzentration verzeichnet werden, der durch gesteigerte Ausschüttung von Interleukin (IL)-1ß, Tumornekrosefaktor (TNF)-α und IL-6 aufrechterhalten wird. Bei viralen Infekten hingegen sinkt die Procalcitonin-Konzentration aufgrund einer vermehrten Ausschüttung von Interferon (INF)-γ. Wissenschaftler vermuten, dass die Procalcitonin-Konzentration bei Personen mit mild verlaufender COVID-19-Infektion (COVID-19 = coronavirus disease 2019) innerhalb der normalen Referenzbereiche verbleibt. Bei schweren Verläufen könnte ein Anstieg von Procalcitonin hingegen eine bakterielle Koinfektion – und damit einen komplizierteren klinischen Verlauf – widerspiegeln.

Coronavirus weltweit auf dem Vormarsch

Das Coronavirus beschäftigt derzeit die ganze Welt. Neben vielen milden Fällen erleiden ca. 10 bis 15 % der Erkrankten schwere oder lebensbedrohliche Verläufe der COVID-19-Infektion mit ausgeprägten Pneumonien bis hin zum Multiorganversagen.

Früherkennung von schweren Krankheitsfällen könnte Therapien verbessern und das Gesundheitssystem entlasten

Wie können Personen mit schwerem Krankheitsverlauf früh erkannt werden? Wissenschaftler untersuchten in dieser Hinsicht, ob die Procalcitonin-Konzentration ein geeigneter Marker ist. Die Wissenschaftler suchten in drei wissenschaftlichen Datenbanken (PubMed, Scopus, Web of Science) nach Studien, die bis zum 03. März 2020 zu den Schlagworten „Procalcitonin“ und „2019 novel coronavirus“, „2019-nCoV“ oder „COVID-19“ durchgeführt wurden. Sie fanden 4 geeignete Studien, die sie in einer Meta-Analyse zusammenfassend auswerteten.

Erhöhte Procalcitonin-Konzentration mit schwerem Krankheitsverlauf assoziiert

Die Ergebnisse der Meta-Analyse zeigten, dass erhöhte Procalcitonin-Konzentrationen mit einem fast 5-fach höherem Risiko für einen schweren Verlauf der COVID-19-Infektion assoziiert waren (OR 4,76, 95 % CI 2,74–8,29). Die Heterogenität der Studien stuften die Wissenschaftler als moderat ein.

Die Wissenschaftler schlussfolgerten, dass bisher nur wenige Daten in Bezug auf Procalcitonin als Marker für schwere COVID-19-Krankheitsverläufe vorliegen. Diese wenigen Daten zeigen allerdings, dass die Messung von Procalcitonin zukünftig eine Rolle spielen könnte, um frühzeitig vorherzusagen, ob ein schwerer Krankheitsverlauf zu erwarten ist. Es bedarf nun weiterer Forschung, um zu bestätigen, dass ein Anstieg der Procalcitonin-Konzentration bei schwerem Krankheitsverlauf auf eine bakterielle Koinfektion zurückzuführen ist.

[DOI 10.1016/j.cca.2020.03.004 ]

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