Metaanalyse: Zielgerichtete Therapie und Infektionen bei CLL-/SLL-Patienten

Original Titel:
Targeted therapies in CLL/SLL and the cumulative incidence of infection: A systematic review and meta-analysis

Kurz & fundiert

  • Metaanalyse: Übersicht der Inzidenz schwerer Infektionen bei CLL-/SLL-Patienten, die eine zielgerichtete Therapie erhalten
  • BTK-Inhibitoren: Höhere Inzidenz bei rezidiviertem/refraktärem CLL/SLL als bei behandlungsnaiven Patienten
  • PI3K-Inhibitor: Höchste Inzidenz schwerer Infektionen, höchste Rate von Pneumonie, febriler Neutropenie und Sepsis
  • CD20-Antikörper der zweiten Generation: Weniger Infektionen als mit Rituximab, niedrigste kumulative Inzidenz einer Sepsis

 

MedWissIn einer Metaanalyse wurde die Inzidenz von schweren Infektionen bei CLL-/SLL-Patienten untersucht, die mit einer zielgerichteten Therapie behandelt werden. Die Analyse zeigte die höchste Rate schwerer Infektionen, Pneumonie, febriler Neutropenie und Sepsis bei PI3K-Inhibitoren. Bei der Behandlung mit BTK-Inhibitoren traten etwa bei jedem fünften Patienten schwere Infektionen auf, wobei die Infektions-Inzidenz bei rezidiviertem/refraktärem CLL/SLL höher war als bei behandlungsnaiven Patienten. Bei der Behandlung mit CD20-Antikörper der zweiten Generation traten im Vergleich zu Rituximab weniger Infektionen auf. Insgesamt wurde zudem die niedrigste kumulative Inzidenz einer Sepsis erreicht.


Beinahe 60 % der Todesursachen von Patienten mit chronisch lymphatischer Leukämie (CLL) oder dem kleinzelligen B-Zell-Lymphom (engl. small lymphocytic lymphoma, kurz SLL) hängen mit Infektionen zusammen. Ursächlich hierfür ist in erster Linie, dass bei der Krankheit die Abwehrkräfte des Körpers stark geschwächt sind, da weniger gesunde weiße Blutkörperchen und Antikörper zur Verfügung stehen. Durch die Behandlung z. B. mit einer Chemo-Immuntherapie oder einer zielgerichteten Therapie kann das Immunsystem noch weiter geschwächt werden.

Analyse der Inzidenz schwerer Infektionen bei CLL-/SLL-Patienten

In einer Metaanalyse wurde untersucht, wie häufig infektionsbedingte, unerwünschte Ereignisse des Grades 3 oder höher bei unterschiedlichen zielgerichteten Therapien auftreten. Für die Analyse wurden 31 Studien mit insgesamt 11 660 Patienten inkludiert und verschiedene Therapieansätze verglichen.

Die kumulierte Inzidenz schwerer Infektionen war mit 30,89 % bei der Behandlung mit PI3K-Inhibitoren am höchsten. Ihre Verwendung war zudem mit der höchsten Inzidenz schwerer Pneumonie (8,45 %), febriler Neutropenie (10,80 %) und Sepsis (4,48 %) verbunden. PI3K-Inhibitoren hemmen ein bestimmtes Enzym, das zentral für einen Signalweg ist, der Zellwachstum, Stoffwechsel und Proteinbiosynthese reguliert. Die Hemmung dieses Signalweges kann zum Absterben von Tumorzellen führen. Der Wirkstoff wird typischerweise erst als Zweitlinientherapie angewandt, da ein hohes Risiko für bestimmte Bakterien- und Virusinfektionen besteht. Die Verwendung als Zweitlinientherapie ist vermutlich auch eine der Ursachen für die hohe Infektionsinzidenz, da die Krankheit bei den entsprechenden Patienten oft schon weiter fortgeschritten ist und eine zusätzliche Belastung durch vorherige Therapien besteht.

BTK-Inhibitoren verursachten in der Analyse bei etwa jedem fünften Patienten (19,86 %) schwere Infektionen. Die Behandlung war zudem mit der zweithöchsten Rate schwerer Pneumonie (6,33 %) assoziiert. Die Inzidenz schwerer Infektionen war bei Patienten mit rezidivierter oder therapierefraktärer Erkrankung signifikant höher (25,84 %) als bei therapienaiven Patienten (16,2 %). BTK-Inhibitoren hemmen ein Enzym, das zentral für einen Signalweg in der Entwicklung von B-Lymphozyten ist. So wird zwar die Entwicklung und Ausbreitung kanzerogener B-Lymphozyten eingeschränkt, jedoch auch die der für das Immunsystem wichtigen gesunden B-Lymphozyten.

Bei der Behandlung mit Anti-CD20-Antikörpern lag die Inzidenz schwerer Infektionen im Falle von Rituximab bei 19,85 % und bei neueren Anti-CD20-Antikörpern bei 13,46 %. Diese hatten zudem die niedrigste Inzidenz einer Sepsis (0,9 %) unter allen Therapiearten. Anti-CD20-Antikörpern wirken gezielt gegen Tumorzellen, die CD20-Antikörper auf ihrer Oberfläche tragen. Diese Daten seien ein weiterer Beleg dafür, dass neuere Anti-CD20-Antikörper Rituximab auf lange Sicht ersetzten werden, so die Autoren.

Überwachung und Infektionsvorbeugung bei der Behandlung mit zielgerichteten Therapien wichtig

Die Autoren schlussfolgerten, dass bei der Behandlung von CLL-/SLL-Patienten mit zielgerichteten Therapien die Überwachung auf Infektionen sowie infektionsvorbeugende Maßnahmen von zentraler Bedeutung seien. Das Auftreten von Infektionen sei dabei nicht nur von Faktoren wie dem Krankheitsstadium abhängig, sondern auch von dem Wirkmechanismus der gewählten Therapie.

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